"Wo ist eigentlich unsere Emanzipation geblieben?" // 5 Fragen an eine Vorsitzende der Landfrauen
"Darf ich mich bei einem Traktor auf die Motorhaube setzen?", war meine Frage. "Klar, such dir einen aus", war Cornelias Antwort. |
Fünf Monate sind nun seit dem Weltfrauentag 2019 vergangen. Mein Gastbeitrag "Mädels, holt euch euer Dorf zurück" in der Neuen Westfälischen ist auf Kritik und Anklang gestoßen. Es ging um junge Frauen meiner Generation, warum wir lieber in Großstädte ziehen und vor dem rückständigen Frauenbild fliehen, anstatt es selbst zu formen. Am häufigsten gehört habe ich seitdem wohl den Satz "Es wird sich eh nichts ändern". Cornelia Langreck ist anderer Meinung. Sie führt gemeinsam mit ihrer Familie einen landwirtschaftlichen Betrieb und ist Vorsitzende des Kreislandfrauen Vereins Gütersloh. Seit Jahren setzt sie sich mit dem Image der Landfrau auseinander und kämpft für ein modernes Auftreten. Gründe genug, ihr ein paar Fragen zu stellen.
Cornelia, warum denke ich im Jahr 2019 bei "Landfrauen" immer noch an Bastkörbe, Apfelkuchen und Bridgeturniere?
Weil das die Sachen sind, die es schon immer gibt und die sich auch bewährt haben. Was die Landfrauen inzwischen anders machen kommt einfach noch nicht so deutlich in der Breite der Gesellschaft an. Die Landfrauen stehen natürlich auch für Kuchentheken und Kinderbetreuung. Aber wir machen ja noch viel mehr. Unser Angebot ist so breit gefächert. Ich glaube, dass die Meisten eben das sehen, was sie sehen möchten, und gar nicht wahrnehmen, was noch alles über Landfrauen in der Zeitung steht.
Die Landfrau des Jahres 2018 ist Alexandra Widiger, eine 23-jährige Frau mit einem Foodblog. Bedient das nicht wieder das Bild von der Bäuerin am Herd?
Ich glaube, dass sie Landfrau des Jahres geworden ist, weil sie etwas anderes macht als die meisten Landfrauen, nämlich überhaupt einen Blog betreibt. Es wäre egal gewesen, über was sie bloggt. Es ging einfach darum zu zeigen, dass Landfrauen auch in der digitalen Schiene aufgestellt sind, denke ich. Aber in den sozialen Netzwerken sind generell viele Frauen, die Blogs mit hauswirtschaftlichen Themen betreiben. Da denke ich manchmal: Wo ist eigentlich unsere Emanzipation geblieben? Ich würde mir für die Gesellschaft insgesamt wünschen, dass man einen Dreh wegbekommt von den Sachen, die Frauen immer schon gemacht haben, gerade für junge Frauen. Warum machen die nicht mal was zu Musik oder Literatur? Die jungen Mädels von heute finden Kochen, Nähen und Gärtnern wieder hochspannend. Das sind anscheinend immer noch Themen, die aktuell sind.
Ist der Landfrauenverein eine feministische Bewegung, die es irgendwann nicht mehr braucht, weil alle Ziele erreicht sind?
Wir vertreten natürlich die Interessen der Frauen auf dem Land und versuchen, sie so gut es geht in der Gesellschaft zu verankern. Nichtsdestotrotz wird es einfach immer Themen geben, die Frauen mehr betreffen als Männer, wie zum Beispiel Chancengleichheit. Obwohl wir schon so lange das Grundgesetz haben, in dem steht, dass Männer und Frauen gleich sind, ist es noch weit davon entfernt, dass Frauen und Männer auch das Gleiche verdienen. Wenn die Chancengleichheit da ist, wird der Landfrauenverein immer noch relevant bleiben. Aufgrund der Fachthemen, der Bildungsangebote, der Berufsvertretung. Außerdem ist es einfach toll, wenn Frauen gemeinsam etwas auf die Beine stellen und sich vernetzen. Und es entstehen ja auch Freundschaften untereinander. Das Leben geht immer weiter und es gibt immer neue Themen. Aktuell versuchen wir die Landfrauen in der Digitalisierung zu schulen.
Was kann man sich von Landfrauen abgucken?
Ihre Bodenständigkeit und ihr geerdet-Sein. Sich nicht von allem und jedem verrückt machen lassen. Ich beobachte gerade die Klima- und Umweltdiskussion und finde es so schade, was für ein Hype daraus gemacht wird. Wir diskutieren schon seit den 70er Jahren über Umweltthemen. Ich finde, wir haben in den letzten vierzig Jahren so viel zugunsten unserer Umwelt entwickelt und bewegt, da könnten wir stolz darauf sein. Stattdessen ist unsere Gesellschaft in eine Hysterie verfallen und glaubt, wir stünden kurz vor dem Weltuntergang. Ein bisschen Gelassenheit haben und mal in Ruhe gucken, was die Umwelt schon alles überlebt hat, und das als positives Zeichen zu sehen, würde uns gut tun. Damit will ich nicht sagen, dass wir unser Tun nicht hinterfragen müssen und neue Wege finden sollten. Das positive Denken kann man definitiv von den Landfrauen lernen. Oft haben wir noch einen eigenen Hof oder einen Garten und sind viel in der Natur unterwegs. Landfrauen haben einen großen Blick für Zusammenhänge in der Natur.
Ist der Begriff "Landfrau" an sich das Problem?
Wir haben schon vor Jahren diese Diskussion im Verband geführt, und wie jeder sehen kann, heißen wir immer noch Landfrauen. Natürlich steht das Wort für etwas Altbackenes. Wir müssen ihn einfach mit modernen Inhalten füllen und zum Positiven wenden. Ich glaube, es ist schon etwas passiert. Man weiß, dass uns mehr ausmacht als nur Kuchenbacken. Aber auch das ist eben ein Qualitätsmerkmal, für das wir geschätzt werden. Ein kompletter Imagewechsel ist nicht das, was wir wollen. Wir stehen für Werte wie Hauswirtschaft und Leben mit der Natur. Der Rest kommt irgendwann, wenn wir beharrlich daran arbeiten. Ich bin jedenfalls stolz darauf, Mitglied dieses großen Netzwerkes zu sein. Wir sind bundesweit eine halbe Millionen Frauen. Das ist wie eine riesengroße Familie. Und ich bin auch stolz, für die Werte zu stehen. Wir sind nah dran an den menschlichen Grundbedürfnissen. Das hat was authentisches und ehrliches.
Infos zu den Landfrauen aus Gütersloh gibt es auf Instagram und Facebook zu finden, und auf der Homepage des Westfälisch-Lippischen LandfrauenVerbands e.V.
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